Es ist immer traurig, wenn jemand zu Grabe getragen wird, egal ob Angehörige am Friedhof oder der Goldfisch am Klo. Ich hatte letztens einen besonders schmerzhaften Verlust zu beklagen: die eigene Jugend in den Innsbrucker Bögen.
R.I.P. Bogenmeile Innsbruck | Plateau | Down Under | …..
Was früher eine lebhafte Szene war, ist nun eine Anhäufung von halbleeren Kneipen. Die beiden Wohnzimmer meiner Sturm- und Drangjahre, das Plateau und das Down Under sind mittlerweile nur noch ein lauer Abklatsch von sich selbst. Wo früher zwischen 2 und 7 Uhr in der Früh die Kacke dampfte, Innsbrucks Anti Hautevoleè abseits von Hofgarten, Stadtcafe und Mausefalle ab 1 Promille feierte, man Mann an Mann, mit ein wenig Glück Mann an Frau, torkelte tanzte und die letzten Tropfen Alkohol in sich reinschüttete, da regiert nun gähnende Leere.
Wer kann mir verraten wie es zugeht, dass das Schicksal Lokalen irgendwann den Hahn einfach so abdreht? Brutal und unbarmherzig, so wie es mit dem Filou (WTF) einer Generation vor mir erging, gibt es irgendwann ganz einfach nichts mehr zu holen in diesen Lokalitäten. War es die andauernde negative Berichterstattung in den Medien über die Bögen oder die Panikmache unserer Politiker, die den Bars unter den Schienen das Licht ausnknipste?
Mit der Bogenmeile Innsbruck scheint auch meine eigene Jugend dahinverwelkt zu sein. Das Sterben „meiner“ Lokale ist soetwas wie die Bestätigung dafür, dass ich nicht nur laut Geburtsjahr alt bin. Ein weiser Spruch besagt „man ist so alt wie man sich fühlt.“ Bullshit! Man ist so alt, wie man von seiner Umwelt wahrgenommen wird. Cool – Hochzeit – Papa – Tod!
Was bringt meine Zukunft? Ü-30 Festl? Cafe Annemarie? Stammtisch beim Bierwirt? Ich weiss es nicht? Ich kann nur zum Allmächtigen um Gnade beten dass ich das, was auf mich wartet, mit Würde ertrage. Oh Herr, lass mich mein Plätzchen in in Trans-Juventa finden, gib mir die Gelassenheit, das Verrosten der Coolness zu ertragen, schenk mir Ausgeh-Demenz, auf dass ich es nicht merke wie ich mehr und mehr zum alten Eisen gehöre.
Ja ja, wir werden halt nicht jünger …
Ruhig Blut, Sie liebenswerter Mensch, wir werden auch ohne Ihre geschätzte Anwesenheit weiterhin existieren…
Also, zuallererst fragten wir (in englischer Sprache, weil wir uns ob unserer Orientierungslosigkeit ein bisschen genierten) nach dem „golden roof“, was uns ein kosmopolitischer Innsbrucker netterweise zeigte (war eh gleich hinter uns, aber wir wie gesagt ein wenig orientierungslos). Nach Besichtigung dieser Sehenswuerdigkeit und der Beruhigung unserer Magennerven im Camerlander mit „Liebe ohne Worte“ (wir haben uns gewundert, dass wir auf der Karte nix Mexikanisches gefunden haben, obwohl es eine mexikanische Bar ist …l aber das Essen war gut), stellten wir dem netten Kellner die Frage wo wir noch hingehen könnten, wo es gute Musik gibt … Es folgte ein bisschen Ratlosigkeit … Mana, da gibt es einen Pianisten, wir „so alt sind wir noch nicht ….“. Dann nach einigem Zögern ….“vielleicht die Bögen, aber das muss man moegen …“ eine nähere Beschreibung konnte nicht liefern. Unsere Neugier war geweckt, wir machten uns in die angezeigte Richtung auf, ein wenig unsicher , sind wir zu alt dafür? Auf dem Weg dorthin fragen wir nochmal nach dem Weg, ein freundlicher junger Mann schaut uns regelrecht entsetzt an: „zu den Bögen wollen sie?“ Länger Rede kurzer Sinn, wir haben dann umgedreht, …. Sind ins Retro Café, vielleicht besser für über 30 Jaehrige …. In der Früh im Hotel ließ es uns aber keine Ruhe, nochmal Frage an die nette Bedienung, was das mit den Bögen auf sich hat. Wieder haben wir das Gefühl eine unangenehme Frage gestellt zu haben, wieder eher die Empfehlung nicht hinzugehen …. Bevor wir jetzt endgültig abgereist sind, haben wir die Bögen am Vormittag besucht (sind vorbeigefahren) und haben uns gewundert, dass die Innsbrucker nicht stolz darauf sind, diese Szene zu haben, etwas, das man nicht überall findet, was Besonderes …. Es tut uns leid, aber nächstes Mal bestimmt (auch wenn wir 30+ sind).
Warum seid ihr Innsbrucker/Tiroler nicht stolz darauf, was „anderes“, buntes, morbid lebendiges bieten zu können, euch darauf einlassen?
Bis bald und genießt eure Vielfalt, ein bisserl Toleranz erweitert den Horizont, glauben hält wir Steirer, die wir uns gerne als Burgenländer tarnen wenn wir unsicher sind 😉
Auch ich lebte einige Jahre im verträumten Innsbruck. Mit meinen Leuten bin ich zwar gerne überall hingegangen, am liebsten jedoch in die M&M-Bar, ins Prometheus und ins Plateau. Da es im letztgenannten Lokal oft morgens keinen Alkohol mehr gab, entschloss ich mich, in der Nachbarschaft zwei Bögen anzumieten und einen abgefahrenen Club mit angrenzender Pseudolounge, eher Alkohollager, zu eröffnen. Die Gewerbeerlaubnis hatte ich bekommen, auch einen Kredit und alle möglichen Genehmigungen. Gescheitert bin ich letztlich an der Kirche auf der Rückseite. Diese erteilte definitiv keine Fluchtweggenehmigung über deren Grundstück…schade. Und wenn ich jetzt lese, daß die Bögen schön gesäubert werden, trauer ich im Innersten mit sicher vielen Menschen zusammen. Da geht das einzige bißchen Großstadtflair Innsbrucks verloren. Wirklich schade.